Win-Win-Situation: Flexwork als bewusst gewählte Arbeitsform

Flexworker sind flexibel Beschäftigte, oft externe Mitarbeitende, die nach einer gewissen Zeit zu einem anderen Unternehmen wechseln. Welche Vor und Nachteile diese Arbeitsform für die Menschen und die Firmen mit sich bringen, erklärt Marcel Oertig von Avenir Consulting AG und Partner beim Innosuisse Projekt «Flexible Workforce».

Was sind Flexworker?

Das sind Mitarbeitende in flexiblen, oft befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Sie sind direkt bei einer Organisation angestellt, bei einem Personalverleih oder selbstständig. Selbstständige kümmern sich in Eigenregie um ihre Sozialversicherungen. Flexible Workforce ist die Summe aller flexibel Beschäftigten, wobei die Art der Beschäftigungsverhältnisse sehr unterschiedlich ist.

Warum gibt es Menschen, die als Flexworker arbeiten? Welche Vorteile hat diese Arbeitsform?
Einige wählen die flexible Arbeit bewusst: Sie erhalten Einblick in unterschiedliche Unternehmen, arbeiten in verschiedenen Projekten und erhöhen ihre Arbeitsmarktfähigkeit. Sie erweitern ihr Fachwissen innert kurzer Zeit enorm. Flexworker können auch besser Arbeit mit Familie, Hobbys oder Reisen vereinbaren. Selbstverwirklichung, Autonomie und Freiheit ist für diese Arbeitnehmenden von grosser Bedeutung. Aber Flexwork kann auch eine Zwischenlösung sein: Einige hoffen auf eine Festanstellung, andere wissen, dass sie aufgrund bestimmter Lebensumstände wie Alter oder Krankheit kaum Chancen haben, bei einer Firma direkt festangestellt zu werden.

Was sind die Herausforderungen dieser Arbeitsform?
Die Variabilität ist anspruchsvoll: In gewissen Zeiten gibt es zu viel Arbeit, in anderen fast keine. Daraus entstehen finanzielle Unsicherheiten, falls die Person selbstständig ist. Ebenso kann es aufwändig sein, sich an einer neuen Stelle die nötigen Informationen zu beschaffen und sich schnell einzuarbeiten. Für manche Flexworker ist es schwierig, ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Firma zu entwickeln, weil der Arbeitseinsatz manchmal nur ein paar Wochen, manchmal Monate dauern kann.

Welche Kompetenzen brauchen flexibel Beschäftigte?
Eine grosse Planungs- und Organisationskompetenz, eine gute Selbstführung und die Offenheit, sich fachlich und kulturell immer wieder in andere Unternehmen einzufügen. Zudem sind eine hohe IT-Affinität, schnelle Auffassungsgabe und örtliche Flexibilität in einer solchen Rolle wichtig.

Welchen Nutzen haben Unternehmen von Flexworkern?
Mit externen, flexiblen Mitarbeitenden können Personalressourcen schnell auf und abgebaut werden und sorgen so für einen direkten Effizienzgewinn. So überbrücken Firmen Auftragsspitzen besser, etwa der Detailhandel in der Weihnachtszeit, ohne ihre Festangestellten zu überlasten. Auch Startups, die noch zu klein sind, um mit Festangestellten zu arbeiten, schätzen Flexworker, ebenso kleinere Firmen, die eine Stellvertretung organisieren müssen. Firmen, die unter dem Fachkräftemangel leiden, kaufen sich mit hochqualifizierten Flexworkern fehlendes Wissen und Kompetenzen für eine gewisse Zeit ein.

Welche Risiken gehen Firmen mit Flexwokern ein?
Die Wissenssicherung ist eine Herausforderung, denn das Wissen soll in der Firma bleiben, wenn der Flexworker wieder geht. Auch der Datenschutz kann Risiken bergen, beispielsweise muss geklärt sein, ob Freelancer bei der AHV angemeldet sind. Flexworker müssen eingearbeitet werden, was einen Mehraufwand für Festangestellte bedeutet. Manchmal wird auch der höhere Lohn von Flexworkern als Belastung für Firmen genannt. Löhne von Festangestellten und Flexworkern dürfen aber nicht eins zu eins verglichen werden. Es braucht die Vollkostenrechnung und diese zeigt, dass gewisse Leistungen nicht oder anders vergütet werden.

Sie haben im Rahmen eines Innosuisse Projekts die «Flexible Workforce» untersucht, was hat Sie dabei erstaunt?
Die zum Teil ungenügende Abstimmung innerhalb der Firmen. Flexworker werden oftmals von der Linie oder dem Verkauf direkt angestellt. Es fehlt der Überblick, wie viele Flexworker in der Firma sind und wo sie arbeiten. Dabei wäre eine strategische Personalplanung in den Händen der Personalabteilung gewinnbringender.

Welche weiteren Aspekte sollten im Umgang mit Flexworkern berücksichtigt werden?
Der Integrationsgrad der flexiblen Mitarbeitenden ist zentral für ihre Bindung ans Unternehmen. Dabei spielt der Prozess des Onboardings, die zügige und professionelle Einarbeitung, eine grosse Rolle. Die Flexworker müssen sozial, fachlich und prozessual eingebunden werden, damit keine 2-Klassen-Gesellschaft aus Festangestellten und Flexworkern entsteht. Auch sollten Firmen offen und transparent informieren, warum sie Flexworker einstellen und die betroffenen Teams bei der Planung miteinbeziehen. Konkurrenzdenken kann so verhindert werden. Ein ganzheitliches, integratives Management der flexiblen Belegschaft führt zu einer Win-Win-Situation für alle.

Wie hoch ist der Anteil flexibel Beschäftigter heute?
Genaue Zahlen gibt es nicht, weil die unterschiedlichen Modelle – Freelancer, Temporärbeschäftigte, Selbstständige – sich schlecht abgrenzen lassen. In den Unternehmensbereichen, die wir im Rahmen des Projektes «Flexible Workforce» untersuchten, beläuft sich der Anteil der Flexworker auf rund 15 bis 20 Prozent der Gesamtbelegschaft. Der Trend für flexible Arbeitsformen nimmt zu, auch weil sich der Fachkräftemangel noch verstärken wird.

 

Weitere Informationen:

Das Innosuisse Projekt „Flexible Workforce“ unterstützt Unternehmen dabei, ihre Flexibilisierungsmöglichkeiten zu analysieren und entwickelt Strategien und Instrumente für ein integratives Management der Flexworker, inklusive BVG-Lösungen. Das Projekt wird von der Fachhochschule Nordwestschweiz zusammen mit Avenir Consulting AG und der Sammelstiftung Vita durchgeführt und durch weitere sechs Unternehmen aus der Gesundheits-, Finanz- und Verkehrsbranche unterstützt. Projektdauer: von 2020 bis Ende 2022.

Original-Artikel

  • Marcel Oertig

    Nach seinem Studienabschluss in Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen begann Marcel seine berufliche Laufbahn in der Personalentwicklung der Hilti AG. Nach der Promotion war er für einige Jahre als…

    Profil ansehen