Avenir: Was hat euch im Jahr 2023 dazu bewogen, den Startschuss für die Entwicklung einer neuen HR-Strategie zu geben?
Rauner-Parpan & Clavuot: Ein Gedanke hat den ausschlagenden Punkt gegeben. Zum einen war unsere bisherige Strategie bereits zehn Jahre alt – die Zeit war reif für etwas Neues. Einige der alten Ziele passten nicht mehr in die heutige Zeit, andere brauchten ein Update und manches musste komplett neu gedacht werden. Hier haben insbesondere äussere Faktoren, wie zum Beispiel der demografische Wandel, eine grosse Rolle gespielt – da braucht es effektive, adäquate Antworten.
Avenir: Was unterscheidet die neue HR-Strategie von der vorherigen? Welche inhaltlichen Schwerpunkte habt ihr bewusst neu gesetzt – und warum?
Rauner-Parpan & Clavuot: An der digitalen Transformation kommt man nicht vorbei. Das ist klar, und hier haben wir auch eine ganz andere Ausgangslage als 2013 in der alten HR-Strategie. Solchen externen transformativen Einflussfaktoren begegnen wir deswegen in der neuen Strategie mit gezielten Initiativen. Wir legen nun einen verstärkten Fokus auf die Personalentwicklung, um unsere Mitarbeitenden mit den notwendigen Skills zu befähigen und sie durch komplexe Transformationen zu begleiten.
Gleichzeitig haben wir auch Ziele aus der alten Strategie übernommen. Die Positionierung als attraktive Arbeitgeberin, die Qualität der Leistungserbringung, die Förderung eines gemeinsamen Führungsverständnisses oder die Gesundheit der Mitarbeitenden – das sind alles Ziele, die heute noch uneingeschränkt Gültigkeit haben und weiterhin eine wohl überlegte Antwort erfordern.
Neben den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Arbeitswelt hat auch ein gesellschaftlicher Wertewandel stattgefunden. Mit der neuen Strategie setzen wir jetzt den Menschen viel mehr in den Fokus. Wir wollen nun vielmehr unsere Mitarbeitenden langfristig binden und eine konstruktive Beziehung mit ihnen aufbauen.
Avenir: Wie ist es euch gelungen, die neue HR-Strategie mit den übergeordneten Zielen und Bedürfnissen der kantonalen Verwaltung in Einklang zu bringen?
Rauner-Parpan & Clavuot: Das Regierungsprogramm und die definierten Regierungsziele des Kantons bildeten die Basis unserer Strategie. Darauf haben wir von Anfang an geachtet. In diesem Zuge sind wir in den intensiven Austausch und in iterative Dialoge mit den verschiedenen Anspruchsgruppen gegangen. Das bedeutet konkret zuerst einmal gut zuzuhören – bspw. in Interviews mit den Generalsekretärinnen und -sekretären oder in Workshops mit der Regierung und einem departement-übergreifendem Projektsteuerungsausschuss. Parallel dazu haben wir eine diverse Projektgruppe etabliert, in der wir verschiedenste Mitarbeitende der kantonalen Verwaltung Graubünden zusammengebracht haben. Mit der Projektgruppe haben wir mehrere Workshops durchgeführt und gemeinsam Ziele festgelegt sowie Lösungen erarbeitet.
So haben wir die neue HR-Strategie mit den Anforderungen des Kantons verknüpft und für eine breite Unterstützung gesorgt.
Avenir: Inwiefern spiegeln sich die Werte und die „Seele“ des Kantons Graubünden in der neuen HR-Strategie wider?
Rauner-Parpan & Clavuot: Das beginnt schon bei dem Bewusstsein, dass es eine Seele braucht. Uns war klar – in Zeiten, in denen sich die Mitarbeitenden mit einer Organisation identifizieren und somit auch eine Wirkung auf potenzielle Bewerbende haben, braucht es starke gemeinsame Werte und die Seele der Verwaltung. Zentral war hier, dass wir in der Erarbeitung der Strategie eine so diverse Gruppe an Mitarbeitenden involviert haben. Durch ihre individuellen Beiträge haben sich in der neuen HR-Strategie viele kleine Teile ergeben, die in ihrer Gesamtheit die Seele der kantonalen Verwaltung widerspiegeln.
Avenir: Ihr habt euch für die Erarbeitung der Strategie externe Unterstützung geholt – unter anderem durch Avenir. Was waren aus eurer Sicht die grössten Vorteile dieser Zusammenarbeit?
Rauner-Parpan & Clavuot: Erstens die Aussensicht. Durch einen externen Partner hatten wir in der Strategieerarbeitung einen neutralen, sehr erfahrenen Blick von aussen, der uns geholfen hat, bestehende Strukturen und Prozesse zu hinterfragen. Strukturen und Prozesse, in denen wir uns vielleicht wohlgefühlt haben, weil wir uns an sie gewöhnt haben, die aber nicht unbedingt zielführend waren.
Zweitens ging es uns um die Methodenkompetenz. Wir haben schnell gemerkt, dass Avenir in der Entwicklung von HR-Strategien sehr erfahren ist. Das Vorgehen war von Struktur und hohem methodischen Knowhow geprägt, und von Anfang an wurde eine breite Gruppe an relevanten Stakeholdern eingebunden. Das hat insgesamt dazu geführt, dass die Mitarbeitenden gemerkt haben – da wird mit einem hohen Mass an Partizipation und Sorgfalt gearbeitet. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz, was wiederum wichtig in der Strategieumsetzung ist.
Kombiniert wurde die Methodenkompetenz mit der Marktkenntnis von Avenir. Dadurch hatten wir immer einen guten Überblick darüber, wie andere vergleichbare Organisationen der Branche, Grösse und Struktur mit ähnlichen Herausforderungen umgehen. Das hat uns Sicherheit gegeben, und wir konnten uns gut einordnen, um am Ende des Tages realistische, aber ambitionierte Ziele setzen zu können.
Und zu guter Letzt – das Persönliche! Wir haben stets gemeinsam auf Augenhöhe gearbeitet und konnten uns auch sehr kurzfristig und auf unkomplizierte Weise auf kompetente Sparringspartner und -partnerinnen verlassen. Das hat Antrieb gegeben und schnell ein Vertrauensverhältnis als Grundlage für den Erfolg des Strategieerarbeitungsprozesses geschaffen.
Avenir: Die Strategie ist inzwischen in der Umsetzung. Wie läuft es aktuell? Gab es bereits Anpassungen oder unerwartete Erkenntnisse?
Rauner-Parpan & Clavuot: Die Umsetzung der Strategie ist gut angelaufen. Klar zeigt sich in der Praxis, dass nicht alles exakt so läuft wie geplant. Die Arbeitswelt entwickelt sich in einigen Bereichen schneller als erwartet, während andere Fokusthemen mehr Zeit oder zusätzliche Ressourcen benötigen. Dementsprechend haben wir die Gültigkeit der aktuellen Strategie auf vier Jahre reduziert, um flexibler auf diese Veränderungen reagieren zu können.
In diesem Zuge haben wir auch erkannt, wie wichtig eine klare Kommunikation und kontinuierliche Begleitung sind, um alle Beteiligten mitzunehmen. Wir haben dafür eine interne Projektpage erstellt, auf der sich die Mitarbeitenden stets über den aktuellen Stand informieren können. Denn was wir auf jeden Fall gemerkt haben – das Interesse und die Bereitschaft der Mitarbeitenden zur Mitgestaltung der Organisation ist sehr hoch!
Avenir: Wenn ihr auf den bisherigen Prozess zurückblickt: Was waren eure wichtigsten Erkenntnisse – persönlich wie auch als Organisation? Und welche Herausforderungen habt ihr gemeistert?
Clavuot: Zum einen, dass die Involvierung von möglichst vielen Stakeholdern kurzfristig intensiv ist, sich diese Anstrengung aber langfristig sehr positiv auf die Verankerung einer Strategie auswirkt.
Und zum anderen, dass eine externe Begleitung mit neutraler Sicht und in unbefangener Rolle extrem zur Akzeptanz und letztendlich zur erfolgreichen Entwicklung einer neuen Strategie beiträgt.
Rauner-Parpan: Essenziell ist eine kontinuierliche Kommunikation. Ohne die geht es nicht. Und das betrifft auch das Ergebnis.
Die alte Strategie wurde als einfache Word-Datei herausgegeben. Da haben wir uns bewusst anders entschieden. Emotionen lassen sich am besten durch Bilder, Gesichter, Geschichten und prägnante Aussagen wecken. Deswegen haben wir für die HR-Strategie ein Booklet herausgebracht, das ansprechend gestaltet ist und in dem die zentralen Punkte der Strategie schnell sichtbar werden.
Avenir: Welche Tipps würdet ihr anderen Organisationen mit vergleichbarer Ausgangslage für die Erarbeitung einer HR-Strategie mit auf den Weg geben?
Rauner-Parpan & Clavuot: Es braucht Zeit. Und die muss man sich bewusst nehmen. Auch wenn das operative Tagesgeschäft drängt. Eine fundierte HR-Strategie braucht Raum für Reflexion, Austausch und Priorisierung.
Und auf Klarheit statt Komplexität setzen. Eine gute Strategie ist leicht verständlich, fokussiert und handlungsleitend.
Sonja Rauner-Parpan ist seit bald fünf Jahren im Personalamt Graubünden tätig, davon zwei Jahre als Leiterin Entwicklung. In dieser Rolle verantwortet die studierte Betriebswirtin sämtliche Entwicklungsmassnahmen auf Organisations- und Personalebene sowie die strategischen Projekte im Personalamt. In diesem Zuge war sie zusammen mit Gino Clavuot massgeblich an der Erarbeitung der neuen HR-Strategie des Kantons beteiligt und begleitet die Umsetzung eng.
Gino Clavuot hat VWL und BWL studiert und seine Karriere in der kantonalen Verwaltung vor acht Jahren im Bereich Bevölkerungsschutz begonnen. Nach umfassender Erfahrung in diesem sowie im Business Continuity Bereich leitet er seit 2024 die Organisationsentwicklung im Personalamt Graubünden. Im Fokus seiner Arbeit stehen dabei die neue HR-Strategie sowie verschiedene Transformationsthemen aus HR-Sicht.
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