Avenir: Was waren die Hauptbeweggründe für die Schaffung einer globalen People Function bei KNF?
Maillefaud: Es war eine wohlüberlegte strategische Entscheidung. In den fast 80 Jahren Firmengeschichte ist KNF kontinuierlich und nachhaltig zu einem multinationalen Unternehmen mit heute 24 Standorten gewachsen. Im Bereich der kundenspezifischen Membranpumpenlösungen sind wir Technologieführerin.
Unsere dezentrale Struktur ist dabei einerseits eine Stärke und Motivation für die Mitarbeitenden, da sie viel Autonomie und frühe Verantwortung ermöglicht. Andererseits ist es wichtig, eine gemeinsame Kultur und ein gemeinsames Führungsverständnis als Anker über alle Standorte hinweg zu entwickeln.
Das Wachstum des Unternehmens hat auch die Komplexität erhöht und eine Anpassung der Organisationsprozesse erfordert – mit dem Ziel, den globalen Auftritt zu stärken, Talente weltweit anzuziehen und Mitarbeitende in einem attraktiven Arbeitsumfeld zu fördern und somit langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Erkenntnis war, dass diese globale Professionalisierung und der Fokus auf People & Culture am besten an der Spitze mit der Rolle der CHRO beginnt.
Avenir: Zusammen mit Avenir haben Sie eine globale People & Culture Strategie entwickelt. Wie haben Sie dabei das Gleichgewicht zwischen globalen und lokalen Anforderungen gefunden?
Maillefaud: Die KNF-Gruppe ist dezentral organisiert mit hoher Autonomie der einzelnen Standorte, um lokal schnell agieren zu können. Umso wichtiger und sensibler ist das von Ihnen angesprochene Gleichgewicht.
Ein Ansatz, der sich in solchen Umständen für mich bewährt hat, ist, mit Prinzipien oder Grundsätzen zu arbeiten. Sie stellen ein gemeinsames Verständnis her, bilden eine Basis für ein einheitliches Vorgehen und lassen gleichzeitig Raum für lokal notwendige Anpassungen.
Wir haben zusammen mit Avenir einen Governance-Rahmen erstellt, der die verschiedenen HR-Bereiche klar abgrenzt. Dazu gehören die Bereiche, die global getrieben werden, wie Leadership, HR-Systeme; die Bereiche, für die es globale Richtlinien oder Grundsätze gibt, wie Flexible Working; und die Bereiche, die lokal entschieden werden, wie Recruiting oder Payroll.
Bei der Erarbeitung der Roadmap war es dann wichtig, die lokalen Geschäftsführer und HR gut einzubinden und zu befragen, um die genauen Bedürfnisse der einzelnen Standorte zu verstehen und abbilden zu können. Denn das Ziel ist stets, die lokalen Organisationen zu stärken und die langfristige Resilienz zu fördern.
Avenir: Welche konkreten strategischen Handlungsfelder haben Sie identifiziert? Und wie wurden diese priorisiert?
Maillefaud: Zunächst einmal haben wir differenziert zwischen den HR-relevanten Handlungsfeldern, die die Entwicklung der HR-Funktion im Unternehmen betreffen und den People & Culture-relevanten Handlungsfeldern, die sich an die gesamte Organisation richten.
Basierend auf einer Befragung jedes Standorts und einer eingehenden SWOT-Analyse konnten wir fünf Handlungsfelder identifizieren und priorisieren. Für die KNF Führung waren die Themen Kultur und Leadership vorrangig. Parallel dazu haben wir mit dem Aufbau eines HR-Organisationsmodells begonnen.
Avenir: Das Thema Leadership aufgreifend – was bedeutet Leadership für Sie persönlich?
Maillefaud: Unser Verständnis von Leadership unterliegt heutzutage vielen Interpretationen und hat sich auch im Laufe der Zeit gewandelt. Für mich wird Leadership nicht durch Hierarchien definiert, sondern jede(r) kann Leadership zum Ausdruck bringen durch die Einstellung und die Wirkung, mit der jede(r) Einzelne sich in täglichen Interaktionen und Herausforderungen einbringt – und so haben wir es auch bei KNF definiert.
Was den Leader, oder die Führungskraft, angeht, schätze ich die Worte von John Quincy Adams: «If your actions inspire others to dream more, learn more, do more and become more, you are a leader.» Die Aspekte der Förderung anderer in ihrer Entwicklung und der Empathie sind für mich persönlich zentral.
Avenir: Wie sind Sie vorgegangen, um die neue People & Culture Strategie bei KNF zu verankern, etwa im Leadership oder Empowerment der Mitarbeitenden?
Maillefaud: Angefangen hat es mit dem Wunsch, ein globales Leadership-Development-Programm zu entwickeln. Dafür mussten wir jedoch zuerst unsere eigenen Leadership-Prinzipien und -Verhaltensweisen auf Basis der Werte und des Purpose von KNF definieren. Insbesondere letzterer Punkt war uns wichtig. Deswegen haben wir zusammen mit Avenir, in einer Partnerschaft der Offenheit, des Vertrauens und des Commitments, den KNF Purpose, die Werte, die Leadership-Prinzipien und -Verhaltensweisen erarbeitet. Das KNF Leitbild, das die Organisation seit Jahrzehnten prägt, aber im Alltag nicht greifbar war, diente dabei als Anker. Die Ausarbeitung war von Anfang an ein ko-kreativer Prozess zusammen mit der lokalen Führung und in enger Einbindung der lokalen Organisationen.
Darauf aufbauend haben wir mit Avenir ein auf KNF zugeschnittenes Leadership-Development-Programm entwickelt, das in einer ersten Phase die oberen Führungsebenen umfasst. Im Jahr 2025 starten wir mit der zweiten Phase für die nächste Führungsebene. Die Tatsache, dass das Programm eben auf unserem eigenen Modell basiert, macht es besonders wirkungsvoll.
Da wir ausserdem bis auf die Ebene der Verhaltensweisen gegangen sind, können wir diese nun in den HR-Prozessen verankern, wie zum Beispiel im Recruiting, im Performance-Management oder in den Learning & Development Programmen.
Avenir: Inwiefern tragen das Leadership-Programm und andere Initiativen zur Unternehmenskultur bei KNF bei?
Maillefaud: Die enge Zusammenarbeit zwischen der Technik und der Produktion in den Produktzentren sowie den Vertriebsgesellschaften bis hin zum Kunden ist für uns Voraussetzung, um passgenaue, kundenspezifische Lösungen zu gewährleisten und langfristig Innovation voranzutreiben.
Kollektive Werte im Umgang miteinander, ein einheitliches Verständnis von Leadership und gemeinsame Tools, die in dem Programm erlangt wurden, tragen zu einer verbesserten Zusammenarbeit bei. Dabei ausgehend von der Erkenntnis, dass Feedback der Grundstein für Wachstum, Zusammenarbeit und Innovation ist, haben wir Feedback und Coaching zu einem wichtigen Bestandteil des Programms gemacht. Die sukzessive unternehmensweite Vermittlung des Programms fördert ein einheitliches Verständnis im Umgang miteinander. Wir wissen insgesamt, dass eine einheitliche Kultur, die auf kollektiven Werten basiert, das Unternehmen stärkt, es widerstandsfähiger und langfristig erfolgreicher macht.
Avenir: Mit Blick in die Zukunft: Welche kulturellen Herausforderungen sehen Sie für KNF in den kommenden Jahren?
Maillefaud: Ich würde sagen, es gibt zwei scheinbare Gegensätze oder Schwerpunkte. Diese im Gleichgewicht zu halten, hat uns bisher erfolgreich gemacht und wird auch in Zukunft von Bedeutung für uns sein.
Zum einen: Als erfolgreiches familiengeführtes Unternehmen hat KNF eine starke, wertebasierte Kultur, die die Mitarbeitenden schätzen. Sie bleiben gerne, was ein Schlüssel zum Erfolg ist, da die hochspezialisierten Produkte langjähriges Wissen und genaue Kenntnisse der Kundenanwendungen und -märkte voraussetzen. Umso mehr bedeutet unsere Position als weltweiter Technologieführer stets eine Kultur der Innovation, der Veränderungen, des lebenslangen Lernens zu fördern.
Zum anderen: Wir sind als Gruppe dezentral organisiert, was ein schnelles, unternehmerisches Agieren vor Ort im Markt ermöglicht. Gleichzeitig sehen wir gerade mit dem stetigen Wachstum des Unternehmens zunehmend die Notwendigkeit, gewisse Bereiche zu vereinheitlichen und zu zentralisieren. Das gibt den Mitarbeitenden gruppenweite Entwicklungsmöglichkeiten und versetzt uns in die Lage, uns nach aussen als starke Arbeitgebermarke zu profilieren.
Avenir: Zum Schluss ein Tipp – was würden Sie einer CHRO mit auf den Weg geben, die vor ähnlichen Herausforderungen steht?
Maillefaud: Wenn man in einer bestehenden Organisation etwas Neues aufbaut, das es vorher noch nicht gegeben hat, braucht es Zeit, um die Bedürfnisse der Organisation zu verstehen und das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Gleichzeitig ist es essenziell, ein gewisses Momentum zu schaffen und vor allem rechtzeitig zu nutzen, um Veränderungen auf den Weg zu bringen. Den Puls der Organisation zu fühlen und die Geschwindigkeit anzupassen, ist wichtig. Schlussendlich kann man nur gemeinsam erfolgreich sein, ganz im Sinne unseres Mottos #strongertogether.
Original-Artikel