Avenir: In eurem Projekt «Weiterentwicklung Supportprozesse SID» ging es darum, die HR-Aufgaben, die in unterschiedlichen Ämtern verteilt waren, auf Direktions-Stufe zusammenzufassen. Welche Rolle habt ihr dabei eingenommen?
Rupp: Durch meine früheren Erfahrungen als HR-Leiter konnte ich bereits in der frühen Phase der Teilprojekte unterstützen. Konkret übernahm ich die Rolle des Co-Projektleiters und vertrat dabei die Business-Perspektive.
Röthlisberger: Zuvor habe ich das HR im Generalsekretariat geführt. Im Projekt habe ich den Transformationsprozess eng begleitet. Heute leite ich das HR im zentralen Dienstleistungszentrum der Sicherheitsdirektion.
Avenir: Die Schlüsselfrage: Wie habt ihr in diesem Transformationsprojekt die Menschen ihren zukünftigen Aufgaben zugeführt, respektive den «Matching-Prozess» konzipiert und aufgegleist?
Rupp und Röthlisberger: Vor der Zentralisierung verfügte die Sicherheitsdirektion über mehrere kleine dezentrale HR-Teams in den einzelnen Ämtern. Mit der Zeit entstand der Bedarf, diese Strukturen effizienter zu gestalten und die HR-Prozesse gemeinsam mit der Finanz- und ICT-Abteilung zu bündeln. Die Transformationsreise begann mit der Definition des HR-Geschäftsmodells.
Dabei haben wir uns mit diesen Fragen auseinander gesetzt: Welche Leistungen soll die neue Einheit erbringen? Welche Organisation braucht es dafür? Welche Funktionen sind notwendig und mit wie vielen Stellen? Auf dieser Grundlage entstand ein klar kommuniziertes „Angebot“ an die Mitarbeitenden: transparente Rollen, Aufgabenprofile sowie die benötigten Stellenumfänge. Die Rollen waren im Wesentlichen auf HR-Beratung, HR-Sachbearbeitung und das HR-Expertennetzwerk aufgeteilt. Dabei waren auch Kombinationen möglich – etwa eine HR-Sachbearbeiterin mit Expertenrolle „Berufsbildung“ oder ein HR-Berater mit dem Schwerpunkt „Personalentwicklung“.
Kernstück des Prozesses war das anschliessende „Matching“: Die Mitarbeitenden wählten auf Basis des neuen Rollenmodells jene Funktionen aus, die sie sich für ihre Zukunft wünschten. Mithilfe eines strukturierten Matching-Formulars konnten sie Präferenzen, Stärken und Entwicklungsinteressen einbringen. Dank der engen Zusammenarbeit mit den Teams und der persönlichen Kenntnis der Mitarbeitenden konnte die Projektleitung andererseits beurteilen, ob der gewünschte Einsatz realistisch war oder ob alternative Optionen eher passten. Auf dieser Grundlage erhielten die Mitarbeitenden ein Angebot.
Avenir: Gut, wenn es matcht, was aber, wenn es zu keinem Match kommt? Wie häufig ist dieser Fall eingetreten?
Rupp und Röthlisberger: Das vorherige System bestand überwiegend aus Generalisten. Durch die neue Struktur wollten wir deren Fachwissen bündeln. Mithilfe des Soll-Ist- Abgleichs wurden viele ihrer Kompetenzen sichtbar. Viele Mitarbeitenden brachten sehr spannende Kompetenzkombinationen mit, welche sich gut in die neuen Rollen überführten. Denn der Grundsatz lautete bereits von Beginn an: Alle bestehenden Mitarbeitenden sollen auf dieser Transformationsreise mitgenommen werden.
Es gelang mit der Verfolgung dieses Grundsatzes in fast allen Fällen, eine passende Rolle in der neuen Struktur zu finden. In seltenen Fällen, in denen Mitarbeitende das Angebot nicht annehmen wollten, wurde aktiv nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht.
Avenir: Die Beurteilung nach einem Jahr – hat das Matching zu einer nachhaltigen Organisation geführt? Sind sowohl Mitarbeitende wie auch SID zufrieden mit den Besetzungsentscheidungen oder haben sich bereits einige Mitarbeiter neu orientiert?
Rupp und Röthlisberger: Für endgültige Schlüsse ist es noch zu früh. Sicher ist jedoch: Es konnte sehr viel Wissen und Erfahrung aus den dezentralen Teams in die neue Struktur mitgenommen werden. Das ist ein grosser Mehrwert, der gleichzeitig Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere, wenn Kombiprofile wegfallen sollten. Bislang sind die Abgänge jedoch gering.
Regelmässige Mitarbeitenden-Umfragen zeigen ein positives Bild. Bereits kurz vor der Umsetzung war der Stimmungsparameter erfreulich hoch, und auch ein Jahr später erhalten wir weiterhin positives und konstruktives Feedback, das aktuell in laufenden Optimierungen berücksichtigt und umgesetzt wird.
Avenir: Das Matching hat also gut funktioniert. Was war das Erfolgsrezept für diese gelungene Transformation?
Rupp und Röthlisberger: Während des gesamten Transformationsprozesses standen Kommunikation und Transparenz im Zentrum. Von Beginn an wurde ein klares Bild der zukünftigen Organisation vermittelt. Noch vor dem Matching fand ein Informationsanlass statt, um das neue Organisationsdesign und die Rollenprofile umfassend vorzustellen. Laufende Newsletter, Informationsveranstaltungen und Sessions zur Rollenbildung sorgten dafür, dass alle Beteiligten jederzeit nachvollziehen konnten, wo der Prozess steht.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war die Möglichkeit, aktiv mitzuwirken: In Arbeitsgruppen erarbeiteten Mitarbeitende die künftigen Prozesse und Abläufe; viele dieser Ideen wurden direkt übernommen. Diese partizipative Arbeitsweise stärkte sowohl die Akzeptanz als auch die Qualität der Transformation. Unterstützt wurde der Prozess zudem durch jederzeit verfügbare Ansprechpersonen sowie einen erfahrenen Change Manager, der die Veränderung von Beginn an professionell begleitete.
Avenir: Was würdet ihr heute anders machen?
Rupp und Röthlisberger: Der eigentliche Projektstart war lang, bevor wir in die aktive Umsetzung gingen. Wir haben viel Zeit damit verloren, Fragen und Unsicherheiten zur zukünftigen Zentralisierung zu klären. Da hätten wir sicher von Anfang an konkreter werden sollen.
Avenir: Zu guter Letzt: Schlussendlich geht es doch auch immer um die persönliche Entwicklung – was nehmt ihr aus diesem Projekt für eure persönliche Weiterentwicklung mit?
Rupp: Die Erfahrungen aus der Co-Projektleiterrolle waren für mich sehr wertvoll. Besonders das rollenbasierte Vorgehen fand ich spannend. Ich bin überzeugt, dass dieser Ansatz künftig noch stärker an Bedeutung gewinnen wird. Es zeigt, dass einige der im Transformationsprozess entwickelten Instrumente gut über das Projekt hinaus nutzbar sind.
Röthlisberger: Für mich war vor allem die richtige Ressourceneinteilung eine wichtige Erkenntnis. Die Doppelrolle – als Teilprojektleiterin und selbst vom Wandel Betroffene – brachte eine zusätzliche Belastung mit sich. Dadurch habe ich viel darüber gelernt, wie man mit solchen Situationen umgehen kann, insbesondere was Priorisierung und Organisation betrifft.
Mit diesem Einblick in ein gelungenes Best HR Practice-Beispiel zeigt sich, wie engagierte Führung, klare Strukturen und ein sorgfältig gestalteter Matching-Prozess eine nachhaltige Weiterentwicklung ermöglichen. Wir danken Stefan Rupp und Barbara Röthlisberger für ihre offenen Einblicke und die wertvollen Erfahrungen, die sie mit uns geteilt haben.
Stefan Rupp
Stefan Rupp ist stellvertretender Leiter des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts Bern (SVSA). Mit seiner fundierten betriebswirtschaftlichen Ausbildung, seinem HR-Background und seiner langjähriger Führungserfahrung prägt er die Personal- und Organisationsentwicklung eines zentralen Dienstleistungsbereichs der Sicherheitsdirektion. Als Co-Projektleiter spielte er eine bedeutende Rolle in der Weiterentwicklung der Supportprozesse.
Barbara Röthlisberger
Barbara Röthlisberger ist seit 2024 Leiterin des zentralen HR der Sicherheitsdirektion. Zuvor leitete sie das HR des Generalsekretariats sowie der Direktion und prägte dort die strategische Weiterentwicklung der Personalprozesse. Ihre Laufbahn im öffentlichen Sektor umfasst verschiedene HR-Funktionen – von der Personalassistenz über die stellvertretende HR-Leitung bis zur Führung des Personalwesens in der Polizei- und Militärdirektion. Die Juristin (Universität Bern) verfügt über Weiterbildungen in Betriebswirtschaft und ist eidg. dipl. HR-Fachfrau.
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