Vom Wunsch, ein strategischer Partner zu sein

Die Frühjahrstagung der Zürcher Gesellschaft für Personal-Management (ZGP) diskutierte die neuen Geschäftsmodelle, mit welchen gleichzeitig die Kosten gesenkt und der Unternehmenswert gesteigert werden sollen.

Seit bald einem Jahrzehnt will das Personalmanagement weniger in den administrativen Bereich, dafür mehr in die strategische Personalarbeit investieren. Zahlreiche Konzepte zur Automatisierung sind schon gestartet worden. Noch immer aber fliessen 60 Prozent der Ressourcen in die operativen und nur 10 Prozent in die höherwertigen Human-Ressource-Tätigkeiten. Mit den neuen Geschäftsmodellen erhofft man sich, das Verhältnis nun definitiv umkehren zu können. Zeitgleich mit der Herausgabe des Buches «Neue Geschäftsmodelle – von der Kostenreduktion zur nachhaltigen Wertsteigerung» (Buchbesprechung S. 119) von Marcel Oertig, dem Managing-Partner der Avenir Consulting, veranstaltete die ZGP ihre Frühjahrstagung unter dem gleichen Motto. Praktisch alle Autoren des Buches konnten bereits von ihren Erfahrungen mit den neuen Modellen berichten.

Transformation voll im Gange

«Drei Viertel der grösseren europäischen Unternehmen transformieren ihre HR-Organisation», präzisierte Marcel Oertig im
Eröffnungsreferat. Dabei würden sich zwei Dinge deutlich zeigen: Die Veränderung verlaufe nicht linear und sie gelinge nur mit integrierten Geschäftsmodellen. Ein integriertes Geschäftsmodell erfasst «sowohl die automatisierten Massenprozesse als auch die individualisierten Beratungskontakte und regelt die Schnittstellen». Tagungsleiter Stephan Wittmann spricht von drei unterschiedlichen Produktelinien, in die sich die HR-Arbeit einteilen lässt: die administrativen Aufgaben (Service-Centers), die Beratung bei personalrelevanten Führungsaufgaben (Centers of Expertise) und die Mitwirkung bei der Entwicklung und Umsetzung der  Unternehmensstrategie (HR-Business-Partners).

Alle blicken nach Michigan

Der Zusammenhang zwischen HR-Spezialisierung und Wertschöpfung, die Differenzierung der Tätigkeit durch bestimmte Rollen, geht auf Dave Ulrich (University of Michigan) zurück, der sich letztes Jahr nach dreijähriger Tätigkeit als Leiter einer Mormonen-Mission mit dem Buch «The HR Value Proposition» wieder in die Wirtschaft zurückgemeldet und die Rollen nochmals präzisiert hat. In der Schweiz haben u. a. die Swisscom und die UBS, in Deutschland die Lufthansa und die SAP die neuen Modelle bereits eingeführt und die HR-Mitarbeiter
für die entsprechenden Rollen qualifiziert.

An den Resultaten messen

Die neuen Geschäftsmodelle dürften, so Tagungsleiter Wittmann, kein Selbstzweck sein, sondern müssten an ihren Resultaten gemessen werden. Demnach gilt es nachzuweisen, dass sie den Unternehmenswert tatsächlich steigern. Ebenso muss gezeigt werden, wie sie Mitarbeitende, Führungskräfte und HR-Verantwortliche beeinflussen und wie sie sich auf den Beruf des HR-Managers auswirken. Gelingt es dem HR-Management tatsächlich, sich mit den neuen Geschäftsmodellen in der Organisation stärker zu positionieren?

Auswirkungen auf das Rollenverständnis

Die Tagungsteilnehmer hatten die Gelegenheit, solche Fragen in den Workshops mit den Firmenvertretern zu diskutieren. Wie die Rückmeldungen im Plenum dann zeigten, waren es vor allem der Rollenwechsel und die Qualifikation der HR-Leute, welche die Workshop-Teilnehmer beschäftigten. «Die Schweizer HR-Verantwortlichen sind noch hin und her gerissen», meinte Heiner Fels,
der Leiter der HR-Business-Services bei der Lufthansa. Sie glauben, ein Shared-ServiceCenter liesse sich in der Schweiz weniger gut
einführen als in Deutschland, weil man in der Schweiz näher beim Mitarbeiter sei. Fels ist jedoch davon überzeugt, dass diese Entwicklung nicht vor der Schweizer Grenze Halt machen wird und sich auch das Schweizer HRM der Effektivität wird stellen müssen. Optimistisch äusserte sich Eric HeinenKonschak, der Leiter der IT-Strategie der Lufthansa. Gemäss den Erfahrungen der ersten neun Monate seit der Einführung des Shared-Service-Centers seien die HR-Mitarbeiter in den neuen Call-Centern zufriedener als diejenigen, die in der alten Personalabteilung verblieben seien.
Für Jürg Winzenried, der bei der UBS das integrierte HR-Geschäftsmodell eingeführt hatte, ist zentral, wie die Schnittstellen zu den HR-Leuten funktionieren, die in den HR-Einheiten arbeiten. Die Fragen nach Transparenz, Profil und Stellenanzahl in den Zentren müssten vor der Einrichtung einessolchen Modells geklärt werden.
Christoph Abplanalp, der Leiter des Kompetenzcenters der Swisscom, bestätigt, dass sein Unternehmen Schwierigkeiten gehabt habe, HR-Leute mit den geforderten Kompetenzen für die strategischen Rollen zu finden. «Das Profil des HR-Business-Partners ist sehr anspruchsvoll, äusserte Abplanalp. Die Swisscom hat das Feld von hinten her aufgerollt, zuerst die strategischen und  entwicklungsorientierten Bereiche aufgebaut und erst später damit begonnen, den administrativen Bereich zu zentralisieren. Andrea Zimmermann führte als Beraterin bei der SAP die Transformationen zum Shared-Service-Center durch. Könnte sie nochmals von vorne beginnen, würde sie der Rollenklärung mehr Raum gewähren und die Diskussionen mit den Betroffenen sogar als festen Bestandteil in die Reorganisation einplanen.

Grundsätzlich positiv

Peter Hablützel, der ehemalige Direktor des eidgenössischen Personalamtes, wurde seiner Rolle als kritischer Geist gerecht. Grundsätzlich bewertet er die HR-Geschäftsmodelle zwar positiv. Sie brächten den erwünschten Kostenvorteil und dem HR mehr Wertschätzung.  Dennoch gäbe es Einwände, die nicht zu vernachlässigen seien. Interpretiere man die neuen Geschäftsmodelle als eine weitere Phase im ewigen Streit um Zentralisierung oder Dezentralisierung in der Führung grosser Firmen, müsse man sich fragen, ob die Rezentralisierung nicht zu weit getrieben würde. «Die Linie könnte versuchen, ihre HR-Verantwortung ganz an die Zentrale abzuschieben», merkte er an. Hablützel fragt sich auch, ob nicht eher die zentral definierten EDV-Systeme und weniger die neuen Geschäftsmodelle zur Kostenoptimierung führten? Da die Geschäftsmodelle die HR-Leistungen nach Kundensegmenten differenzieren, laufe man Gefahr, mit ihnen die Segmentierung der Organisation voranzutreiben. Auch wirke die Arbeit in den neuen Geschäftsmodellen eher überorganisiert und bürokratisch als kundenorientiert. Diese Arbeitsweise locke eine ganz bestimmte Art von Menschen in den HR-Bereich, und zwar nicht etwa die besonders Kreativen. In den neuen Geschäftsmodellen würden die Architektur und die Effizienz der Systeme und weniger
die beteiligten Menschen im Vordergrund stehen. «Sollte man angesichts der demografischen Herausforderung nicht eher in die Menschen als in die Perfektion von Strukturen und Prozessen investieren?», gab Hablützel zu bedenken. Bis mit den neuen Geschäftsmodellen nicht nur die Kosten gesenkt werden, sondern auch der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert wird, steht den Unternehmen noch ein langer Weg bevor. Die meisten stehen erst am Anfang einer solchen Entwicklung, fasste Stephan Wittman am Schluss der Tagung zusammen. Auf die Kosten- folgt die Kunden- und auf diese die Marktorientierung. Aber erst wenn das  Leistungsangebot auch Dritten offen stehen würde, könne man von einer eigentlichen Wettbewerbsorientierung und Wertsteigerung sprechen. Mit diesem Ausblick dürfte dafür gesorgt sein, dass die Umstellung auf die strategische Personalarbeit auch für die nächsten zehn Jahre ein Gesprächsthema bleibt.

 

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