Strategische HR-Aktivitäten – mehr als Kostenoptimierung

Rund drei Viertel der HR-Organisationen grosser europäischer Unternehmen befinden sich in einem Transformationsprozess. Die Ziele sind die gleichen: Kostenreduktion, Optimierung des Ressourceneinsatzes, bessere Servicequalität sowie verstärkte strategische Ausrichtung des HRM auf die Geschäftsziele.

Die Steigerung von Effektivität und Effizienz von HR erfordert eine nachhaltige Verlagerung von mehrheitlich administrativen Tätigkeiten zu mehr wertschöpfenden, strategisch ausgerichteten HR-Aktivitäten (siehe Abbildung 1, «HR-Transformation»). Die einseitige Betonung der Kostenoptimierung des operativen HR-Bereichs greift zu kurz. Gefordert ist ein integriertes HR Geschäftsmodell, das die neuen Rollen und Schnittstellen klärt und sie in einem kundenorientierten End-to-End-Prozess zusammenführt.
Liniennahe, auf die Geschäftsstrategie des Unternehmens ausgerichtete Beratungseinheiten (HR-Businesspartner) sowie HR-Spezialisten, die unternehmensrelevantes Fachwissen bündeln (Center of Expertise), sind dabei die zentralen Bausteine. Operative HR-Prozesse, deren hoher Automatisierungsgrad Skaleneffekte ermöglicht, werden durch interne oder extern ausgelagerte Dienstleistungszentren effizient angeboten. In der Praxis sind wir noch weit von diesen Zielen der Transformation entfernt, HR wird kaum als wertsteigernder Bereich wahrgenommen. Viele Linienmanager sehen HR mehr als Cost-Center denn als strategischen Partner.

Der Einsatz – zumeist sehr teurer – Technologie und eine neue Organisation ergeben noch keine HR-Transformation. Die neuen Rollen erfordern vielmehr, dass HR-Mitarbeitende die entsprechenden Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln. Dabei wird das hohe Anforderungsprofil in vielen Fällen zu weit von vorhandenen Qualifikationen entfernt sein.
In funktional orientierten Personalabteilungen wird heute noch die Mehrheit der personellen Ressourcen für rein operative Prozesse wie Verwaltung der Personaldossiers, Mutation von Personaldaten, Zeugniserstellung, Lohnabrechnung oder Erfassung von Mitarbeiterbeurteilungen verwendet. Konzeptionelle Tätigkeiten wie Design von Personalentwicklungsmodellen oder Beratung bei der Gewinnung und Erhaltung von Schlüsselpersonen nehmen nur rund 30 Prozent der Tätigkeiten in Anspruch. Für strategisch orientierte Aufgaben wie das Ableiten einer auf die Geschäftsstrategie ausgerichteten HR-Strategie oder die Begleitung eines umfassenden Veränderungsprozesses bleiben knappe 10 Prozent!

Wenn die Effizienz im Ganzen gesteigert und das Gewicht zu stärker konzeptionellen und strategischen Aktivitäten verlagert werden soll, müssen in einem ersten Schritt die administrativ ausgerichteten Tätigkeiten um rund 50 Prozent reduziert werden. In einem weiteren Schritt – wenn die automatisierten operativen HR-Prozesse akzeptiert und eingespielt sind – kann eine zusätzliche Effizienzsteigerung erreicht und ein weiterer Ausbau der Strategie- und Change-Beratung realisiert werden.

Die langjährigen Michigan-Studien von Brockbank und Ulrich identifizierten fünf Kompetenzbereiche für Human Resources, die zu einem Anstieg der Business-Performance von rund 10 Prozent (gemessen an der finanziellen Performance über drei Jahre im Vergleich zu massgeblichen Wettbewerbern) führten:

Strategischer Beitrag (43 Prozent)

  • Management der Unternehmenskultur
  • Change Management für raschen Wandel
  • Einbezug in geschäftliche Entscheidungsprozesse
  • Bildung einer kundenfokussierten Organisation

Persönliche Glaubwürdigkeit (23 Prozent)

  • Nachhaltige Resultate dank hoher Integrität
  • Gute interne und externe Beziehungen zu Schlüsselpersonen
  • Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten (mündlich wie schriftlich)

HR-Funktionen sicherstellen (18 Prozent)

  • Gewinnung der richtigen Leute
  • Entwicklung der richtigen Leute
  • Organisationsstruktur und -prozesse gestalten
  • HR-Messinstrument einsetzen
  • Arbeitsrechtliche Fragen klären
  • Performance Management sicherstellen

Geschäftsverständnis (11 Prozent)

  • Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen und der Branche verstehen
  • Umgang mit Sozialpartnern
  • Einsatz des Business-Verständnisses in strategischen Beiträgen

HR-Technologie (5 Prozent)

  • Verständnis der HR-Technologie
  • Gezielter Einsatz der HR-Technologie in der Leistungserstellung

Strategischer Beitrag, persönliche Glaubwürdigkeit und Geschäftsverständnis machen also rund drei Viertel des Wertbeitrags von HR aus. Die Grundlage sind aber nach wie vor funktionierende Leistungen auf der operativen Ebene. Dafür braucht es HR-Technologie, die auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Unternehmen, die beim Einsatz von HR-Technologie zu aggressiv vorgegangen sind, konnten bisher den Beweis für die Wirtschaftlichkeit der hohen Investitionen nicht erbringen.
Um eine aktive Laufbahngestaltung innerhalb des HR-Bereichs zu unterstützen, ist eine HR-Fachlaufbahn hilfreich. Die Laufbahnmöglichkeiten sind in einer Career Map (Abbildung 2, «Die Landkarte der HR-Fachlaufbahnen») transparent aufgezeichnet.

Die Einführung eines neuen HR-Geschäftsmodells ist ein komplexer Transformationsprozess, der auf verschiedenen Ebenen und in mehreren Phasen abläuft (siehe Abbildung 3, «Die Phasen und Ebenen des Veränderungsmanagements »). Das Bewusstsein dafür, dass der Veränderungsprozess auf drei Ebenen – strategisch, strukturell und kulturell/personell – verstanden und gesteuert werden muss, ist keineswegs selbstverständlich. Vor allem der kulturelle Wandel wird vielfach unterschätzt. Bis dieses neue Rollenverständnis akzeptiert und gelebt wird, braucht es meist Monate oder gar Jahre. Lieb gewordene Gewohnheiten müssen über Bord geworfen werden, Mitarbeitende und Linienführungskräfte sind gefordert, das operative Handling über eine automatisierte Schnittstelle selbst zu bewältigen.

Wenn in der ersten Phase das Klima für die Veränderung geschaffen worden ist, gilt es in der zweiten Phase, Bewegung zu erzeugen. Projekt und Arbeitsteams müssen effizient arbeiten können und gleichzeitig eine Multiplikatoren- und Networking-Funktion sicherstellen. Ein wichtiges Element ist ein gut funktionierender Dialog mit den Stakeholder-Gruppen, der eine breite Unterstützung für das Projekt sichert. Erste positive Veränderungen, die rasch sichtbar gemacht werden, stärken das Vertrauen in die Veränderung. In der dritten Phase gehen Planung und Pilotierung in die Alltagsumsetzung über. Prozesse müssen sich in der Praxis bewähren, neue Schnittstellen und Beziehungen sich einspielen. Hier sind Feedback-Möglichkeiten wie auch Weiterbildungs- und Trainingsaktivitäten sehr wichtig.
Schliesslich geht es – vierte Phase – darum, Selbstverständlichkeit zu erzeugen. Die nachhaltige Verankerung der neuen Prozesse setzt eine adäquate Abbildung in den Führungsinstrumenten voraus. Das gilt für Mitarbeitendenbeurteilungen (Service Level Agreements, definierte HR-Scorecard) wie für Rekrutierungen und interne Beförderungen, die auf die Anforderungen des neuen HR-Rollenverständnisses ausgerichtet werden. Die Vertiefung der Kundenbeziehungen und die eigene Weiterentwicklung in den HR-Rollen gehören ebenfalls in diese Phase – wie selbstverständlich auch das Etablieren eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.

Original-Artikel

Quelle: HR Today
Ausgabe: 03/2006