Avenir: Wir durften Euch dieses Jahr erneut bei der Entwicklung und Durchführung der Mitarbeitendenbefragung begleiten. Dieses Jahr gab es jedoch einige Neuerungen, gemeinsam haben wir den Fragebogen neu designt. Kannst Du kurz erklären, was das Ziel des neuen Fragebogens war und welche hauptsächlichen Änderungen vorgenommen wurden?
Wermuth: Grundsätzlich haben wir uns an die Überarbeitung gemacht, um sicherzustellen, dass unsere Mitarbeitendenbefragung auch in Zukunft zu den Bedürfnissen und Anforderungen der Mobiliar als Organisation passt.
Konkretes Ziel war es, die Mitarbeitendenbefragung neu zu positionieren und eine enge Verbindung zu unserer Strategie sowie zu relevanten aktuellen HR-Themen herzustellen. Gleichzeitig war es uns wichtig, Vergleichsmöglichkeiten zu früheren Befragungen beizubehalten und Fragen zu integrieren, die extern benchmarkfähig sind. Wir haben also versucht, eine Balance zwischen Innovation und Vergleichbarkeit zu halten.
Avenir: Und welche Vorteile bietet der neue Fragebogen für die Mobiliar?
Wermuth: Ein grosser, zentraler Vorteil ist die Verbindung mit unserer Strategie und unseren strategischen Stossrichtungen im HR.
Wir haben den Fragebogen entlang dieser Vorgaben gestaltet und dadurch Fokusthemen wie Strategie, Führungsverständnis, Gesundheit etc. festgelegt. Dadurch stellen wir sicher, dass unsere strategischen Schwerpunkte mit unseren Instrumenten verbunden sind, das hat grossen Einfluss auf die Akzeptanz und Nachhaltigkeit einer Befragung.
Eine weitere wesentliche Verbesserung ist die optimale Abbildung unserer dualen Struktur. Wir erhalten jetzt differenzierte Einblicke sowohl in die klassische Linienstruktur als auch in die Arenenstruktur (= agile Struktur) und können die Ergebnisse so viel gezielter analysieren. Zudem wurde der Fragebogen mit weiteren bestehenden Befragungsinstrumenten innerhalb der Organisation abgestimmt, um eine konsistente und ganzheitliche Betrachtung der Mitarbeitendenperspektive zu ermöglichen.
Der neue Fragebogen bietet der Mobiliar somit nicht nur tiefere und präzisere Erkenntnisse, sondern schafft auch eine fundierte Grundlage für die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Organisation.
Avenir: In Bezug auf agile Zusammenarbeit seid ihr bei der Mobiliar bereits sehr fortschrittlich. Wie berücksichtigt ihr diese Form der Zusammenarbeit in der Mitarbeitendenbefragung?
Wermuth: Die Abbildung agiler Strukturen ist nicht trivial – die Kombination der klassischen Linienorganisation und der agilen Netzwerkstruktur stellt eine gewisse Komplexität dar.
Ein wichtiger übergreifender Ausgangspunkt war unser gemeinsames Führungsverständnis, das für unterschiedliche Führungsmodelle innerhalb der Organisation passend ist. Auf dieser Basis konnten wir die Befragung entsprechend ausrichten und haben dann einen individualisierten Ansatz gewählt.
Dazu haben wir innerhalb des Fragebogens eine Option geschaffen, mit der die Mitarbeitenden zu Beginn angeben können, ob sie agil tätig sind. Wenn ja, erhalten sie im Vergleich zur Linie individualisierte Fragen zur agilen Zusammenarbeit und den agilen Führungsrollen. So können wir die Ergebnisse der Befragung sowohl aus Perspektive der klassischen als auch der agilen Linienstruktur auswerten – ohne eine der beiden Welten zu vernachlässigen. Und am Ende sind wir nun in der Lage, gezielte Analysen und Vergleichsmöglichkeiten zwischen den zwei Organisationsformen durchzuführen.
Avenir: Nur das Durchführen von Befragungen verändert aber bekanntlich noch nichts im Unternehmen. Wie stellt ihr sicher, dass die Erkenntnisse aus der Befragung tatsächlich genutzt werden, um Verbesserungen herbeizuführen?
Wermuth: Entscheidend ist, dass die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Verbesserungen münden. Deshalb stellen wir sicher, dass die Ergebnisse der Mitarbeitendenbefragung auf verschiedenen Ebenen aktiv genutzt werden.
Auf Organisationsebene identifiziert die HR-Abteilung zentrale Handlungsfelder, die anschliessend von der Geschäftsleitung priorisiert und zur weiteren Ausarbeitung freigegeben werden. Damit die Mitarbeitenden wissen, woran organisationsübergreifend gearbeitet wird, kommunizieren wir diese Schwerpunkte transparent. Zudem werden diese Themen im Dialog mit unseren Mitarbeitenden über alle Stufen aufgenommen (Bspw. im Dialogforum Geschäftsleitung mit Mitarbeitenden).
Auf Teamebene besprechen die Führungskräfte die Ergebnisse mit ihren Teams, leiten bei Bedarf gemeinsam Massnahmen ab und überprüfen deren Wirkung regelmässig. Bei kritischen Ergebnissen unterstützt die HR-Beratung gezielt und begleitet die Teams eng im Verbesserungsprozess.
Durch die neu eingeführte jährliche Durchführung der Befragung wird es zudem einfacher, Fortschritte nachzuverfolgen und kontinuierlich an der Weiterentwicklung der Organisation zu arbeiten.
Avenir: Wie bettet ihr das Thema Befragungen im grösseren Kontext strategisch bei euch in der Mobiliar ein? Wie nutzt ihr die Erkenntnisse aus der Mitarbeitendenbefragung gezielt, um die Bindung und langfristige Zufriedenheit eurer Mitarbeitenden zu stärken?
Wermuth: Seit rund 1,5 Jahren beschäftigen wir uns intern mit dem Thema «Talent Retention» und waren von Anfang an der tiefen Überzeugung: Die Mitarbeitendenbefragung und ihre Ergebnisse sind ein zentrales Element für die Bindung von Mitarbeitenden. Denn die Mitarbeitenden erhalten mit der Befragung eine direkte Feedbackmöglichkeit, und wir fördern somit eine konstruktive Feedbackkultur auf Augenhöhe. Geprägt von Vertrauen, Offenheit und Wertschätzung – ganz im Einklang mit unseren Werten «menschlich, nah und verantwortungsvoll».
Neben diesem direkten Einfluss wirkt die Mitarbeitendenbefragung aber auch indirekt auf die Zufriedenheit. In diese erhalten wir mit der Befragung regelmässigen Einblick und können reagieren. Wir erkennen unsere Stärken und Schwächen als Arbeitgeberin, können gezielte Massnahmen ableiten und uns als Organisation stetig weiterentwickeln. Der Grundgedanke von diesem Handeln ist einfach – zufriedene Mitarbeitende weisen eine höhere Bindung an die Mobiliar als Arbeitgeberin auf.
Mit Blick auf die konkreten Ergebnisse können wir verraten – die sehr guten Resultate zeigen die hohe Zufriedenheit und das starke Engagement unserer Mitarbeitenden. Das bestätigt, dass die Mobiliar eine attraktive Arbeitgeberin ist. Unsere Ambition ist es, das hohe Niveau der Ergebnisse in allen Themen zu halten.
Avenir: Aus Deiner persönlichen Sicht, welche Learnings habt Ihr aus dem Projekt mitgenommen? Und welche Tipps würdet Ihr anderen Organisationen mit auf den Weg geben?
Wermuth: Ein zentraler Erfolgsfaktor ist, dass unsere CEO und die Geschäftsleitung der Mitarbeitendenbefragung einen sehr hohen Stellenwert beimessen und die Ergebnisse sehr ernst nehmen. Dadurch stellen wir sicher, dass die Mitarbeitenden sich gehört fühlen und auch wirklich etwas passiert.
Ein zweiter Erfolgsfaktor war der angesprochene Mix aus unternehmensspezifischen Fragen und solchen, die sowohl intern als auch extern benchmarkfähig sind. So können wir gezielt unsere eigene Organisation analysieren, aber eben auch schauen – wo stehen wir im Vergleich zum Markt.
Wenn wir abseits der Erfolgsfaktoren an die bisherigen Learnings denken, kommt mir sofort «Mut zur Lücke» in den Sinn – also die Erkenntnis, dass eine Befragung nicht von Anfang an perfekt sein muss. Vielmehr sehen wir sie als einen Prozess, bei dem wir ausprobieren, weiterentwickeln und gezielt nachjustieren können, um den grösstmöglichen Mehrwert zu erzielen.
Ein ganz konkretes Beispiel für diesen Lernprozess ist der Umgang mit qualitativem Feedback, bzw. die Auswertung dessen. Offene Kommentare enthalten oft wertvolle Einsichten, lassen sich jedoch schwerer systematisch analysieren als geschlossene Antworten. Erstmals haben wir daher KI-gestützte Tools eingesetzt, um die Rückmeldungen gezielt zu strukturieren. Mit jeder weiteren Befragung werden wir aus diesen Erfahrungen lernen und unsere Analysemöglichkeiten weiter verfeinern.
Besonders hilfreich war auch die Zusammenarbeit mit einem Partner wie Avenir, der die Komplexität unserer Unternehmensstruktur versteht. Dies hat es uns ermöglicht, die Befragung passgenau auf unsere Bedürfnisse auszurichten.
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