Die Rollen des HRM für eine gute Corporate Governance

HR-Themen werden auf oberster Ebene häufig zu wenig integriert geführt und gesteuert. Dabei kann eine wirksame HR Governance einen wertvollen Beitrag zu einem werteorientierten, ethischen Management leisten. Notwendig ist eine bessere Integration sowohl auf Ebene des Verwaltungsrates als auch der Geschäftsleitung.

Die zu einseitig auf die Shareholder-Maximierung ausgerichtete Corporate Governance brachte die nachhaltige Balance der Anspruchsgruppen von Kunden, Aktionären, Mitarbeitenden und Öffentlichkeit ins Wanken. Ethische Compliance und ganzheitliches Risiko-Management wurden zu Gunsten von überzogenen Renditezielen vernachlässigt. Neben das wertorientierte Management, das auf eine Steigerung des ökonomischen Unternehmenswertes fokussiert, muss wieder verstärkt ein werteorientiertes Management treten, das normativen Unternehmenswerten mehr Gewicht verleiht. Hier kann eine klare und wirksame HR Governance einen wertvollen Beitrag leisten. Dem Thema HR Governance kommt aber auch aus ökonomischer Sicht ausserordentliche Bedeutung zu, da durchschnittlich von einem verdienten Franken rund ein Drittel direkt oder indirekt über Löhne, Sozialleistungen, Betreuungs- oder Entwicklungsmassnahmen wieder in das Humankapital investiert wird.
Martin Hilb, Professor für Personalmanagement an der Universität St. Gallen hat wegweisend schon vor längerer Zeit ein integriertes
VR-Management für die gezielte Gewinnung, Beurteilung, Honorierung und Förderung von Mitgliedern des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung gefordert. Dabei orientierte er sich an einem alle Anspruchsgruppen umfassenden Konzept und der Definition entsprechender VR-Erfolgsmassstäbe. Der Begriff HR Governance ist noch wenig definiert und soll im Folgenden als Aufsicht und Führung der HR-Funktion sowie der Steuerung der damit verbundenen Investitionen verstanden werden. Ziele der HR Governance sind dabei:

  • die Ausrichtung von HR auf die normativen und strategischen Zielsetzungen des Unternehmens
  • die Einhaltung der sozialen und ethischen Grundsätze (ethische Compliance)
  • die Einhaltung der rechtlichen und finanziellen Vorgaben (rechtliche Compliance)
  • die Minderung von HR-Risiken (z.B. Vakanzrisiken, Qualifikationsrisiken, Reputationsrisiken)
  • die wirkungsvolle Unterstützung in der Entscheidungsfindung in HR-relevanten Themen auf VR- und GL-Ebene
  • die Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten der HR-Funktionen auf allen Stufen
  • das strategische Controlling und die Messung des Wertschöpfungsbeitrages der HR-Funktion.

Dabei kann zwischen der HR Governance auf VR-Ebene und der GL- bzw. Management-Ebene unterschieden werden. Auf VR-Ebene geht es einerseits um die Festlegung und Beaufsichtigung der normativen und strategischen HR-Vorgaben und deren Umsetzung in einer integrierten HR Policy sowie andererseits um die in die Kompetenz des Verwaltungsrates fallenden HR-Geschäfte bei Gewinnung, Beurteilung, Honorierung und Entwicklung der VR- und GL-Mitglieder (vgl. Hilb). Dazu empfiehlt sich bei grösseren Unternehmen die Ausgestaltung eines Personalausschusses (HR Comittee), der die HR-Themen integriert behandelt und zuhanden des Gesamtverwaltungsrates mit entsprechender Fachkompetenz
vorbereiten kann.
Die HR Governance auf Management-Ebene ist auf die Führung und Steuerung der HR-Funktion innerhalb des Unternehmens gerichtet.
Dabei geht es um die Klärung von zentraler und dezentraler Steuerung und Effizienz sowie die Rollenwahrnehmung und Zusammenarbeit über die verschiedenen Stufen des HR-Managements. Bei grösseren Unternehmen wird hier zumeist mit einem HR-Fachausschuss (HR Council), dem neben den Leitern der zentralen Kompetenzzentren die HR-Leiter der Geschäftseinheiten bzw. bei internationalen Unternehmen der Regionen oder Länder angehören. Unter Berücksichtigung einer humankapitalorientierten Sichtweise ist die verstärkte Einbindung von Linienverantwortlichen in strategische HR Councils zu empfehlen.

Praxisbeispiel 1: HR Governance zur Sicherstellung des Talent-Managements auf oberster Führungsebene
Zur Ausgangslage:
Der VR-Präsident eines grösseren Unternehmens der Dienstleistungsbranche stellte bei den letzten Besetzungsprozessen auf oberster Stufe vermehrt fest, dass erstens kaum geeignete interne Bewerber zur Verfügung standen und zweitens der Prozess der Besetzung vom HR-Bereich wenig professionell unterstützt wurde. In der Regel wurde ein Executive- Search-Unternehmen beauftragt, und der HR-Leiter war nur noch am Rande involviert. Daneben war im Verwaltungsrat auch schon mehrfach über die ungenügende strategische Ausrichtung des HR-Managements und die fehlende positive Positionierung im Arbeitsmarkt über eine moderne und zukunftsgerichtet Personalpolitik diskutiert worden.
Der Verwaltungsrat erteilte den Auftrag, ein HR Audit insbesondere im Hinblick auf die Qualität des Besetzungsprozesses der obersten Führungsstufen und die erfolgreiche Umsetzung einer modernen Personalpolitik durchzuführen. Nach der eingehenden Analyse (u.a. mit vertieften Interviews der VR- und GL-Mitglieder) konnte der HR-Audit-Bericht im Gesamtverwaltungsrat präsentiert und ein detaillierter Massnahmenkatalog zur Stärkung der HR Governance aus Sicht des Verwaltungsrates vorschlagen werden. Neben der strategisch stärkeren Verankerung der HR-Leitung auf Geschäftsleitungsebene und der Neuausrichtung des HR-Geschäftsmodells wurde ein Talent-Management-Prozess, der einen systematischen Einbezug des VR sicherstellt, verabschiedet.

Wichtige Erkenntnisse zur HR Governance:
Trotz dem Vorliegen einer im VR verabschiedeten Personalpolitik konnte die HR Governance beispielsweise in der Sicherstellung einer guten Nachfolgeplanung für die obersten Führungsebenen nicht genügend durchgesetzt werden. Für wichtige strategische HR-Themen braucht es deshalb eine Verstärkung der Führung und Steuerung der HR-Funktion auch auf der VR-Ebene.

Praxisbeispiel 2: HR Governance zur verbesserten Zusammenarbeit innerhalb der HR-Funktion bei der Schweizerischen Post
Mit der Einführung eines neuen HR-Geschäftsmodells wurde bei der Schweizerischen Post auch die HR Governance zur Führung und Steuerung der HR-Funktion innerhalb des Konzerns weiterentwickelt. Dabei wurde einerseits das HR-Gremium durch die vermehrte Delegation von Entscheidungskompetenzen der Konzernleitung gestärkt. Andererseits sollte durch den Einsatz von so genannten Fachtandems die Zusammenarbeit zwischen den HR-Stellen des Konzerns und der Bereiche gezielt gefördert werden. Basis bildete die Formulierung von drei konzernweiten Grundsätzen für alle Personalstufen.

Grundsätze für die Fachführung Personal

Konzernweite Mit- und Zusammenarbeit
Die Personalstellen sämtlicher Stufen, d.h. Konzern, Bereiche und Konzerngesellschaften, arbeiten im neugeschaffenen Fachausschuss Personal und in den entsprechenden Fachtandems mit und entwickeln Lösungen partnerschaftlich.

Gesamtinteresse des Konzerns vor Eigeninteressen der Bereiche
Die Entscheidungsfindung erfolgt im Fachausschuss Personal, sofern ihm die Konzernleitung für das entsprechende Geschäft die Befugnis übertragen hat. Dabei sollen die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden.

Differenzierungen nach Geltungsbereich und Funktion/Aufgabe/Prozess
Um den unterschiedlichen ökonomischen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb des Konzerns Rechnung zu tragen, wird die Fachführung nach Geltungsbereich (Einbindung in Stammhaus, Internationalität und Grösse der Konzerngesellschaften) sowie nach Funktion/Aufgaben/Prozessen differenziert.

Bisherige Erfahrungen aus Sicht der Personalleitung
(basierend auf einem Kurz-Interview in der «Personalwirtschaft» 05/2009 mit Yves-André Jeandupeux, Leiter Personal und Mitglied der Konzerleitung der Schweizerischen Post) «Die partnerschaftliche Erarbeitung der HR Governance zwischen der Konzernpersonalfunktion und den einzelnen Geschäftseinheiten führte dazu, dass ein wichtiger Abstimmungsprozess stattfand und grundsätzliche Fragen geregelt wurden: Welche Kernaufgabe sind eher zentral, welche eher dezentral zu erbringen? Welche Personalpolitik ist für unsere Mitarbeiter im Ausland spürbar?
Unsere Zielvorstellung ist es, dass der Fachausschuss gemeinsam die Personalarbeit im Konzern noch stärker mitprägt und verantwortet. Die Konzernleitung und der Verwaltungsrat sollen sich intensiv auf die strategischen personalwirtschaftlichen Fragen konzentrieren können.»

Stand der HR Governance in der Schweiz noch wenig untersucht

Auch wenn in der Corporate-Governance-Diskussion der letzten Monate vermehrt Fragen zur Besetzung und vor allem zur Incentivierung von VR- und GL-Mitgliedern gestellt wurden, ist das Thema HR Governance im Vergleich zu Audit oder Risk Management im VR noch wenig stark ausgeprägt. Eine Befragung zu HR Governance auf VR-Ebene vom I.FPM Center for Corporate Governance der Universität St. Gallen und Avenir Consulting in rund 100 Unternehmen der Schweiz befindet sich zurzeit in Auswertung und soll erste Trendaussagen zum Stand der HR Governance in der Schweiz aufzeigen. Die Studie, die in den nächsten Monaten vorgestellt wird, nimmt insbesondere zu folgenden Aspekten Stellung:

  • Welche Bedeutung kommt dem Thema HR Governance im VR insgesamt zu?
  • In welchem Ausmass werden strategische HR-Themen im VR behandelt?
  • Welches explizite HR-Fachwissen ist im VR und insbesondere bei Leitern von HR-Ausschüssen vorhanden?
  • Wie werden HR-Leiter in die Diskussion von HR-relevanten Themen im VR und den Ausschüssen einbezogen?

Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema HR Governance und deren Weiterentwicklung kann nicht zuletzt auch ein Beitrag
zu Stärkung der strategischen Positionierung des HR-Managements sein und auch zur weiteren Verbesserung einer Good Corporate Governance, die stärker ethischen und sozialen Aspekten Rechnung trägt, beitragen.

Original-Artikel

Quelle: HR Today
Ausgabe: 7,8/2009