Die Generationenschere – eine Herausforderung für Arbeitgeber

Die Studie «Alter und Generationen: Das Leben in der Schweiz ab 50 Jahren» des Bundesamts für Statistik (BFS, 2005) weist auf die grosse Herausforderung der Verschiebung des Generationenverhältnisses hin. Wenn es nicht gelingt, durch eine angemessene Politik eine ausgewogene Altersstruktur in der Bevölkerung zu gewährleisten, braucht es Mechanismen zur Anpassung der Gesellschaft an die neue demografische Realität.

Bezogen auf die Situation in den Unternehmen sieht es nicht besser aus: Die Generationenschere, das heisst der Anteil der über 50-jährigen im Verhältnis zu den unter 30-jährigen Erwerbspersonen öffnet sich bereits seit dem Jahr 2000, wird aber in den nächsten Jahren mit der ins Alter kommenden Baby-Boomer-Generation rasch an Dynamik gewinnen. Dieser strukturelle Effekt wird die Unternehmen in den nächsten Jahren stark herausfordern. Das demographische Dilemma stellt sich dabei zweifach: Einerseits wird ein Rückgang an jüngeren Erwerbspersonen zu verzeichnen sein und anderseits eine rasche Zunahme an älteren Erwerbspersonen.
Dieser Generationenschereneffekt bedingt sowohl Engpässe bei der Rekrutierung und der Bindung von Jungen (vor allem bei gut qualifizierten Fachkräften und Nachwuchsführungskräften) als auch beim Erhalt der Arbeitsfähigkeit und bei Modellen des flexiblen Ausstiegs der Älteren.
Die zukünftigen altersstrukturellen Herausforderungen brauchen daher breit abgestützte und integrierte Massnahmen des Personalmanagements. Und dies um so mehr, als dass sich bereits jetzt abzeichnet, dass Mitarbeitende mit zunehmendem Alter über eine geringere Einbindung in ein Team, weniger Unterstützung durch KollegInnen sowie eine Abnahme von Job-Rotation berichten, was die Gefahr birgt, dass soziale Ressourcen weniger genutzt werden können und die für den Wissenstransfer entscheidende Zusammenarbeit sowie das Verständnis zwischen den Generationen nicht ausreichend gefördert wird (vgl. Zölch, Mücke & Korn, 2007).

Organisationsdemographie: Altersstrukturen im Unternehmen

Viele Unternehmen haben keine genauen Kenntnisse darüber, welches die aktuellen Altersstrukturen sind und auf welche organisationsdemographischen Entwicklungen sie sich in den nächsten Jahren einzustellen haben. Eine Analyse der Altersstrukturen sowie die Ableitung möglicher organisationsdemographischer Zukunftsszenarien ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung, um Hinweise auf potentielle Handlungsfelder angesichts der sich öffnenden Generationenschere zu erhalten und die Personalpolitik strategisch auszurichten.

Eine Altersstrukturanalyse umfasst in der Regel die Analyse der momentanen Altersstrukturen sowie eine Prognose, wie sich diese Altersstrukturen zukünftig entwickeln können. Wichtig ist es dabei, ins Detail zu gehen und nicht nur die Altersstrukturen und deren Entwicklung für das Gesamtunternehmen zu betrachten. Denn Letztere stellen einen gemittelten Wert dar, der über die tatsächliche Situation hin wegtäuschen kann. Auf Ebene von Unternehmensbereich, Abteilung oder nach Funktionsgruppen ausgewertet, zeigen sich im Vergleich zur Gesamtaltersstruktur häufig andere Ausprägungen.
Von einer heterogenen Altersstruktur spricht man, wenn alle Altersgruppen vertreten sind und anteilsmässig keine Altersgruppe dominiert. Homogen ist sie, wenn eine Altersgruppe mehr als 50 % des Personalbestandes ausmacht. Je nach dominierender Altersgruppe stellen sich jeweils unterschiedliche Herausforderungen für das Unternehmen (vgl. Köchling, 2006): In Unternehmensbereichen mit alterszentrierter Altersstruktur, d. h. Mitarbeitende über 45 Jahre überwiegen, ist abzusehen, dass ein substanzieller Teil der Belegschaft gemeinsam in den Ruhestand gehen wird. Dies bringt zweierlei Probleme mit sich: Wichtiges Know-how und betriebsspezifisches Erfahrungswissen gehen abrupt verloren, wenn der Wissenstransfer z. B. durch altersgemischte Teams nicht bereits frühzeitig und nachhaltig gesichert wurde. Gleichzeitig muss eine grosse Anzahl neuer Mitarbeitender rekrutiert und in das Unternehmen integriert werden. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass im Unternehmen eine Senioritätskultur entstehen kann, die zu wenig auf die Bedürfnisse von jüngeren Personen abgestimmt ist. In der Folge kann das Unternehmen für diese Zielgruppe an Attraktivität verlieren.
Dominieren Mitarbeitende zwischen 30 und 45 Jahren einen Unternehmensbereich, liegt eine mittelalterszentrierte Altersstruktur vor. Auch hier altern die Mitarbeitenden kollektiv. Das Problem der «Massenpensionierung» verschiebt sich lediglich um zehn Jahre nach hinten.
Bei einer jugendzentrierten Altersstruktur finden sich kaum Mitarbeitende, die älter als 30 Jahre sind. Angesichts der prognostizierten demographischen Entwicklung ist mit einem Rückgang des Anteils jüngerer Erwerbstätiger zu rechnen, so dass es für diese Unternehmen zukünftig verstärkt zu Rekrutierungsproblemen kommen kann.

Welche Altersstruktur im individuellen Fall «sinnvoll» ist oder welche Herausforderungen aktuelle und zukünftige Altersstrukturen mit sich bringen, lässt sich nur nach eingehender Analyse des Unternehmens und seiner strategischen Ausrichtung beantworten. Das Fallbeispiel der SCA Packaging verdeutlicht dies.

Altersstrukturanalysen bei der SCA Packaging

Die Ergebnisse der Altersstrukturanalyse (*) im Jahr 2005 bei der SCA Packaging, einem produzierenden KMU aus der Verpackungsindustrie mit 220 Beschäftigten, zeigten für den Standort Oftringen eine heterogene Altersstruktur. Das Durchschnittsalter lag bei 39,5 Jahren, und alle Altersgruppen waren in einem nennenswerten Umfang vertreten.
Simuliert man die Entwicklung der Altersstrukturen der SCA Packaging, Standort Oftringen, in 10 Jahren und legt ein Wachstumsszenario zugrunde, bei dem Lehrlinge ausgebildet und ausscheidende Mitarbeitende ersetzt werden, steigt der Anteil älterer Mitarbeitender (46 bis 60 Jahre) bis ins Jahr 2015 auf 43 % und auch der Anteil von Personen, die älter als 60 Jahre sind, erreicht 7 % (vgl. Abb. 1, S. 10). Zumindest für einen Teil dieser Mitarbeitenden muss Ersatz rekrutiert sowie der Wissenstransfer gesichert werden. Jüngere Mitarbeitende machen 27 % und Mitarbeitende mittleren Alters 23 % des Personalbestandes aus. Das Durchschnittsalter wächst bei diesem Szenario im Jahr 2015 auf 42 Jahre an.
Handlungsfelder wurden von der Produktions- und der HR-Leitung (Human Resources) sowie dem «Prime Time»-Projektteam übereinstimmend in den Bereichen Rekrutierung (hier die Lehrlingsausbildung), Weiterbildung und Wissenstransfer sowie betriebliche Gesundheitsförderung abgeleitet (vgl. Abb. 2). Letztere stellt bereits aktuell eine Herausforderung dar, da fast alle Langzeiterkrankten älter als 50 Jahre alt sind, es sich bei der SCA um eine Gefahrenbranche handelt und zudem körperlich anspruchsvolle Arbeit zu leisten ist. Überdies nimmt das Thema Gesundheitsförderung bei der SCA mit skandinavischem Mutterhaus einen zentralen Stellenwert ein. Mit Bezug zur Rekrutierung weist die SCA zwar eine erfreulich niedrige Fluktuationsrate auf. Es erweist sich aber bereits jetzt als schwierig, gute Fachkräfte auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu bekommen. Da viele langjährige Fach- und Führungskräfte in den nächsten Jahren altersbedingt aus dem Unternehmen ausscheiden, muss die Nachfolge geregelt und der Wissenstransfer von der älteren auf die jüngere Generation gesichert werden.
Vertiefende Altersstrukturanalysen auf Ebene einzelner Abteilungen führten zu einer Präzisierung und Priorisierung von Massnahmen. S wurde für die Produktionsabteilung mit dem höchsten Altersdurchschnitt (44 % der Mitarbeitenden sind dort bereits aktuell älter als 45 Jahre) ein Pilotprojekt lanciert, für das folgende Ziele formuliert wurden:

  • eine ausgewogene Altersstruktur in der Abteilung erreichen,
  • körperliche Belastung durch regelmässige Job-Rotation abbauen,
  • hierfür die Mitarbeitenden polyvalent qualifizieren,
  • Nachfolgeplanung und Wissenstransfer von der älteren auf die jüngere Generation sicherstellen.

Derzeit wird eine Personalplanung für diese Abteilung erstellt, die Einsatzmöglichkeiten der Mitarbeitenden pro Arbeitsplatz überprüft und ein Sollprofil pro Arbeitsplatz entwickelt, um aus dieser Gap-Analyse (Lückenanalyse) weitere Schritte einzuleiten. Wissenstransfer ist somit ein zentrales Handlungsfeld der SCA Packaging. Wie der Wissenstransfer zwischen den Generationen konkret unterstützt werden kann, veranschaulicht das Fallbeispiel der Swisscom Fixnet.

Pilotprojekt zum intergenerativen Wissenstransfer bei Swisscom Fixnet

In ihrer Personalpolitik betont Swisscom die grundsätzliche Bedeutung eines Generationenmix und der Vielfalt in Teams. Die generationenübergreifende Zusammenarbeit und die Sicherstellung des Transfers von Wissen und Erfahrungen ist dabei ein wichtiges Anliegen. In Teilbereichen von Swisscom Fixnet sind bereits heute über ein Drittel der Mitarbeitenden über 50 Jahre alt – Tendenz steigend. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen des Projektes «50plus» verschiedene Massnahmen eines alternsgerechten Personalmanagements wie Laufbahnreflexion, Altersteilzeit sowie flexible Pensionierungsmodelle umgesetzt. Mit dem Pilotprojekt «transfer-DUO» hat Swisscom Fixnet auch erste Erfahrungen zum zielgerichteten Wissenstransfer zwischen den Generationen gesammelt.

Was ist «transferDUO» und wie funktioniert es?

Zwei sich in ihren Fähigkeiten und in ihrem Wissen möglichst ergänzende Mitarbeitende bilden ein Zweierteam («transferDUO»). Dies kann beispielsweise ein projekterfahrener, langjähriger Mitarbeitender und eine Hochschulabsolventin sein, die neu bei Swisscom arbeitet und erste Projekterfahrungen sammelt. Die beiden PartnerInnen arbeiten gemeinsam an einem Projekt oder in ihrem Tagesgeschäft zusammen
und können wechselseitig von ihren komplementären Stärken und Erfahrungen profitieren. Die Ausgestaltung des «transferDUOs» steuern die Mitarbeitenden selbständig. Sie legen fest, wie häufig und in welcher Form der gegenseitige Austausch stattfindet.
Unterstützt werden die Zweierteams einerseits durch die Teamleader, die als wichtige Impulsgeber ihre Mitarbeitenden zu vermehrtem Wissensaustausch mit «transferDUOs» ermuntern und ihnen bei Fragen und Problemen helfen. Anderseits wer den sie durch den Projektleiter Age Management unterstützt, der sie bei der Einführung von «transferDUO» begleitet und auf förderliche und hinderliche Faktoren für den Wissensaustausch hinweist. Er leitet das «transferDUO» bei der Definition von Zielen an und steht für die Verbesserung der Zielerreichung zur Seite.
Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in der Entwicklungsabteilung zeigen, dass vor allem in der ersten Phase (Sensibilisierung) die Unterstützung durch die HR-Abteilung willkommen ist. Danach organisieren sich die beteiligten Mitarbeitenden selbst und suchen gezielt nach Gefässen für den gegenseitigen Austausch von Wissen und Erfahrung (z. B. in wöchentlichen Trainings-Sessions oder in Form von «Shadowing on the job»). Eine wesentliche Rolle für die Umsetzung und den Erfolg des Wissenstransfers kommt der Linie zu; denn klar ist, dass die Verantwortung bei der Linie verbleibt. Sie bestimmt den Stellenwert und Nutzen des Wissenstransfers und trägt zum Erfolg bei, indem sie diesen zumindest immateriell wertschätzt und belohnt.
Insgesamt kann eine positive Bilanz der «transferDUOs» gezogen werden: Der erfahrene Mitarbeitende erhält Zugang zum aktuellen Fachwissen des Jüngeren, und der jüngere Mitarbeitende profitiert vom in nerbetrieblichen Netzwerk und den Prozesskenntnissen des erfahrenen Mitarbeitenden. Vorurteile zwischen den Generationen können abgebaut werden.

Fazit

Die Generationenschere als Folge des demographischen Wandels stellt verschiedene Herausforderungen an die Arbeitgeber. Um diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen, bedarf es einer genauen Analyse des Unternehmens inklusive seiner Altersstrukturen und seiner strategischen Ausrichtung. Laufende und geplante personalpolitische Massnahmen können vor dem Hintergrund dieser Kenntnisse auf ihre Zukunftstauglichkeit überprüft werden. Dass es keine Patentlösungen geben kann, zeigen die beiden Fallbeispiele. Sie machen deutlich, dass die Handlungsfelder sowie die daraus abgeleiteten Massnahmen so individuell wie die Unternehmen selbst sind.

Original-Artikel

Ausgabe: 17