Candidate Experience kurz erklärt
Die Candidate Experience (auch Candidate Journey) bezeichnet die Erfahrung, welche die Bewerbenden während der Kontaktaufnahme zum Unternehmen und im Bewerbungs- und gegebenenfalls auch Einstellungsprozess machen (siehe Abb. 1). Das Konzept stammt ursprünglich aus dem Kundenmarketing und funktioniert im Human Resource Management im Prinzip gleich: Gestaltet man Kontaktpunkte im Bewerbungsprozess entlang den Erwartungen der Zielgruppe, gewinnen Kandidat*innen ein positives Bild des Unternehmens und entscheiden sich somit eher dafür, eine offerierte Stelle tatsächlich anzunehmen.
Wichtige Qualitätskriterien
Erleben Bewerbende das Unternehmen positiv und konsistent, kann eine gute Beziehung aufgebaut werden. Das fördert einerseits die Bereitschaft der Kandidat*innen, eine offerierte Stelle anzunehmen. Andererseits vereinfacht es den Unternehmen die spätere Kontaktpflege mit denjenigen, an welche die Stelle nicht vergeben wurde, die aber für das Unternehmen weiterhin interessant bleiben. Die positive Bewerbungserfahrung beeinflusst zudem, welches Bild Kandidat*innen in ihrem persönlichen Netzwerk über das Unternehmen vermitteln und ob eine nicht eingestellte Person zukünftig Interesse hat, sich auf eine andere Position im Unternehmen zu bewerben. Bei der Candidate Journey ist die Abstimmung der diversen Kommunikationskanäle zentral. HR und Führungskräfte sollten sicherstellen, dass die Kontaktpunkte aufeinander abgestimmt werden. Als Qualitätskriterien einer gelungenen Candidate Experience gelten Authentizität, Schnelligkeit, Transparenz und persönliche Wertschätzung (Kels et al., 2016).
Jeder Kontaktpunkt ist relevant
In der Umsetzung liegt der Fokus auf den Erfahrungen der Kandidat*innen im Bewerbungsprozess. Es geht darum, herauszufinden, welche Stationen während des Bewerbungsprozesses durchlaufen werden und wie sie darauf reagieren. Mit dem daraus gewonnenen Wissen können die positiven Elemente verstärkt und negative Erfahrungen verhindert werden. Zur Identifizierung der Berührungspunkte eignet sich beispielsweise das Durchspielen des Bewerbungsprozesses mit den daran beteiligten Repräsentant*innen aus den verschiedenen Bereichen (vom ersten Kontakt mit dem Unternehmen bis zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns) oder auch die Befragung der Bewerbenden zu ihrer Bewerbungserfahrung. Um ein positives Erlebnis zu schaffen, empfiehlt es sich, alle Kontaktpunkte zwischen Bewerbenden und dem Unternehmen bewusst und professionell zu gestalten (siehe Abb. 2). Denn bereits eine negative Erfahrung während des Prozesses kann alle positiven Erfahrungen überschatten.
Mit den Augen der Bewerbenden
Bei der Gestaltung der Kontaktpunkte gilt es, die Sicht der Kandidat*innen einzunehmen. Dabei lautet die primäre Frage nicht: «Wie gestaltet sich ein Prozess intern mit allen Schnittstellen?», sondern vielmehr: «Wie nehmen Bewerbende diesen Kontaktpunkt wahr und welche Emotionen löst der Kontaktpunkt aus?» Bei der Analyse wird beispielsweise der gesamte Bewerbungsprozess gleichzeitig aus der Perspektive von Kandidat*innen und aus Firmensicht durchleuchtet. Die Kandidatenperspektive wird über den gesamten Prozess mit einbezogen, um Feedback zum tatsächlichen Erlebnis zu erhalten. Beispielsweise können so unangenehme Wartezeiten, Unsicherheiten und Unklarheiten nach einem ersten Interview identifiziert werden. Basierend auf der Ist-Analyse und den so identifizierten Verbesserungspotenzialen wird der Soll-Bewerbungsprozess definiert und entsprechend angepasst.
Tipps zur Optimierung
Beleuchten Sie die vorhandenen Kontaktpunkte entlang der Candidate Journey mit den oben genannten Qualitätskriterien einer gelungenen Candidate Experience: Authentizität, Schnelligkeit, Transparenz
und persönliche Wertschätzung.
1. Erster Eindruck zählt
Das Stelleninserat und Ihre Karriereseite sind häufig die erste Anlaufstelle für Interessierte. Bewerbende erwarten hier einen glaubwürdigen Auftritt eines Arbeitgebers. Achten Sie auf eine vorteilhafte Strukturierung, einen ansprechenden sowie authentischen Markenauftritt und detaillierte Informationen zum Unternehmen. Kann das positive Bild, das ein Unternehmen beispielsweise im Rahmen von Employer Branding vermittelt hat, im Bewerbungsprozess nicht bestätigt werden, führt das unweigerlich zu Enttäuschungen. Versuchen Sie mittels Transparenz in der Stellenbeschreibung, Vertrauen zu schaffen und die Informationen möglichst ausführlich, und gleichzeitig auf den Punkt gebracht, den Lesenden zur Verfügung zu stellen.
2. Einfachheit und Geschwindigkeit
Für eine gelungene Candidate Experience ist Geschwindigkeit zentral. Das heisst, machen Sie es den Interessierten möglichst einfach und unkompliziert, sich auf verschiedenen Kanälen zu bewerben. Mühsame Formulare und den Lebenslauf in verschiedenen Feldern abzufüllen, erhöhen das Frustrationspotenzial. Gesuchte Talente können im aktuellen Arbeitnehmendenmarkt vielfach zwischen mehreren Angeboten auswählen und mit einem eng getakteten Interviewprozess für sich gewonnen werden. Versuchen Sie dabei, möglichst transparent über den aktuellen Prozessstand und über den Fortgang des Bewerbungsprozesses zu informieren. Komplexe Bewerbungsprozesse, lange Wartezeiten oder mehrere Wochen ohne Rückmeldung sind frustrierend und wirken abschreckend. Gerade ungewisse Aussagen wie «wir melden uns so bald wie möglich» sollten vermieden werden.
3. Wertschätzender Interviewprozess
Für das Interview selbst gilt, genügend Zeit für die Vorbereitung einzuplanen, pünktliches Erscheinen, eine angenehme Atmosphäre kreieren, auf Augenhöhe kommunizieren und neben entsprechendem Selbstmarketing auch den Bewerbenden Raum für ihre Fragen einzuräumen. Achten Sie auf eine höfliche Kommunikation und begegnen Sie allen Kandidat*innen mit Respekt. Das gilt ebenfalls für das Feedback nach Bewerbungseingang oder dem Gespräch, unabhängig von einer Zu- oder Absage. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen ist ein individuelles Feedback für jede einzelne Bewerbung kaum möglich. Eine ehrliche, wertschätzend und positiv formulierte Absage sowie ein kurzes Telefonat, wenn der/die Bewerbende sich Zeit für ein Vorstellungsgespräch genommen hat, haben einen positiven Einfluss auf die Candidate Experience. Zudem sollte den Bewerbenden die Möglichkeit geboten werden, sich während des ganzen Prozesses mit Fragen jeglicher Art bei HR oder der zuständigen Führungskraft zu melden. Weiten Sie die Candidate Experience bis zum Onboarding aus. Wenn zukünftig Mitarbeitende bis zu ihrem Stellenantritt auch einmal von Ihnen hören, werden sie motivierter im neuen Unternehmen starten.
An einer positiven Candidate Experience kann kontinuierlich gearbeitet werden. Diese bestmöglich zu gestalten, kostet Geld, personelle Ressourcen und geschieht nicht über Nacht. Als Unternehmen erhalten Sie dafür im Optimalfall mehr und qualitativ bessere Bewerbungen, verlieren weniger Kandidat*innen währenddes Prozesses und können dadurch offene Vakanzen schneller besetzen.
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