«Unser heutiges Performance Management taugt nicht als wirksames Führungsinstrument», «Unser starres System passt nicht mehr zur heutigen Arbeitsweise», «Unser neues Führungsverständnis lässt sich nicht mehr vereinbaren mit unserem veralteten Zielvereinbarungs- und Leistungsbeurteilungsprozess». Solche und ähnliche Aussagen von HR-Verantwortlichen und Führungskräften hören wir in der Beratung regelmässig. «Bloss weg vom alten MbO – und zwar lieber gestern als morgen», scheint die Devise zu sein. Hat das klassische Management by Objectives (MbO) tatsächlich ausgedient? Und wenn ja, warum eigentlich? Welche Alternativen und neuen Instrumente bieten sich an?
Die Herausforderungen sind nicht neu
Der Schluss liegt nahe, dass in einer von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität gekennzeichneten Arbeitswelt (kurz VUCA) neue Anforderungen an die Führung und somit auch an die Führungsinstrumente bestehen. Alles schreit nach mehr Agilität, um die zukünftigen Herausforderungen bewältigen zu können. Kein Wunder, dass ein vor über 60 Jahren entwickeltes Führungsinstrument wie MbO zwangsläufig infrage gestellt wird. Tatsächlich belegen Studien schon seit Längerem eine wachsende Unzufriedenheit mit dem traditionellen Performance Management. Je nach Quelle sind die Zahlen erschreckend: bis zu 90% der Führungskräfte und Mitarbeitenden sind mit dem aktuell in ihrer Organisation verwendeten Performance Management unzufrieden und erkennen keinen Mehrwert im MbO. Schon vor langer Zeit haben Technologiekonzerne wie Intel (in den 80er Jahren) und Google (Ende 90er Jahre) aufgrund ihres dynamischen und auf Wachstum ausgerichteten Unternehmensumfelds Alternativen zum klassischen MbO gesucht und mit «Objectives & Key Results (OKR)» ein neues Konzept eingeführt. OKR als agiles Managementsystem für eine agile Arbeitswelt.
Machen wir es uns zu einfach?
Immer mehr Firmen, auch jenseits der Technologiebranche, sehen sich heute einer dynamischen Wettbewerbssituation ausgesetzt. Ein Transformationsprozess löst den nächsten ab, und beschleunigter Wandel verlangt viel Flexibilität. Da liegt es auf der Hand, dass starre, meist topdown gesteuerte Managementsysteme den aktuellen Herausforderungen vieler Organisationen zu wenig Rechnung tragen. Doch das Problem einzig auf das System abzuwälzen, greift zu kurz. Auch agile Methoden stellen hohe Anforderungen an Organisation und Führung, und ihre Implementierung ist anspruchsvoll. Ein weiteres Ergebnis aus Studien in Bezug auf den Umgang der Führungskräfte mit MbO zeigt: mehr als die Hälfte der Führungskräfte nehmen sich zu wenig Zeit für das Performance Management und verfügen nicht über die erforderlichen Kompetenzen. Die Defizite lassen sich in zentralen Themen der Führungsarbeit finden: in der Qualität der Formulierung sinnvoller Ziele, in der Fähigkeit des Ansprechens unerfüllter Leistungserwartungen und in der zielgerichteten Gestaltung der Entwicklung der Mitarbeitenden. Dies sind alles Kernelemente der Führungsarbeit, unabhängig vom gewählten Performance-Management-System. Kurz: Das System kann und soll die Führungsarbeit optimal unterstützen – aber niemals ersetzt das System die Führungsarbeit. Die Verantwortung für schlechte Führung kann nicht einfach an das Führungsinstrument delegiert werden.
Daraus folgt, dass durch die blosse Einführung eines agilen Performance-Management-Systems die Welt nicht automatisch besser wird. Doch was genau ist ein «agiles Performance Management»?
Grundlagen eines agilen Performance Managements
Fragen Sie zehn Experten, was Agilität bedeutet und Sie erhalten zehn unterschiedliche Antworten. Genauso wenig gibt es eine einzige Definition davon, was ein agiles Performance Management ausmacht. Versucht man die verschiedenen Meinungen aus Forschung und Lehre zu konsolidieren, so lassen sich dennoch ein paar zentrale Charakteristika agiler Ansätze im Performance Management finden:
• Kontinuierlicher Dialog anstelle des jährlichen Mitarbeitergesprächs
• Stärkenbasiertes Feedback (Feedforward) anstelle von vergangenheitsbezogenem Schwächen-Management
• Mehr Fokus auf persönliche Entwicklung und wirksame Beiträge zum Unternehmenserfolg als auf starre Erreichung von top-down vorgegebenen Unternehmenszielen
• Mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden für den Performance-Management-Prozess anstelle von einseitigen Vorgaben und Fremdsteuerung durch Vorgesetzte und HR
• Anstelle von individuellen Ratings und Boni mehr unternehmens- und teamerfolgsgetriebene
Verteilung der variablen Vergütung
Solche agilen Ansätze lassen sich aber nur dann in einer Organisation erfolgreich umsetzen, wenn dem Ganzen auch ein entsprechendes, modernes Führungsverständnis zugrunde liegt. Zentral sind dabei Aspekte wie eigenverantwortliches Handeln, Vertrauenskultur, Dialog auf Augenhöhe, Feedbackkultur, Delegation und Coaching. Oder anders ausgedrückt: weniger transaktionale und mehr transformationale Führung.
Es ist offensichtlich, dass die Anforderungen an die Führung bzw. die Führungskräfte dadurch nicht abnehmen, ganz im Gegenteil. Führungskräfte müssen in einem modernen Führungsverständnis die Fähigkeit haben, in verschiedenen Rollen agieren zu können, zum Beispiel als Coach, Vorbild, Entwickler, Konfliktmanager, Motivator. So bedingt der Wechsel hin zu einem agilen Performance Management meist den Auf- und Ausbau entsprechender Kompetenzen bei den Führungskräften. Investitionen, die es einzukalkulieren gilt, finanziell und zeitlich.
Das richtige Vorgehen als Schlüssel zum Erfolg
Welches Vorgehen sollten Firmen wählen, die sich auf den Weg machen hin zu einem agilen Performance Management? Beginnen Sie nicht mit der Evaluation einer der zahlreichen auf dem Markt verfügbaren IT-Lösungen. Machen Sie sich zuerst bewusst, welches Problem Sie eigentlich lösen wollen. Hier geht es um Grundsatzfragen. Was bedeutet Leistung bei Ihnen in der Organisation? Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Performance Management? Welches Führungsverständnis liegt dem Performance Management zugrunde bzw. welchen Anspruch haben Sie an die Führung?
Zu empfehlen ist ein schrittweises Vorgehen:
1. Nehmen Sie eine Bestandesaufnahme vor. Wo stehen Sie heute? Unterziehen Sie das Performance Management einer kritischen Analyse unter Einbezug verschiedener Stakeholder.
2. Definieren Sie die Rahmenbedingungen. Sie können selten auf der «grünen Wiese» agieren. Meist bestehen Abhängigkeiten und Vorgaben aufgrund bestehender Schnittstellenthemen (Talentmanagement, Vergütungskonzept etc.). Wo sind Sie frei, was kann infrage gestellt werden und was nicht?
3. Legen Sie für Ihr zukünftiges Performance Management die zentralen Gestaltungselemente
fest. Diese betreffen inhaltliche und prozessuale Aspekte (Sollen Entwicklungsthemen behandelt werden? Soll es je nach Zielgruppen unterschiedliche Prozesse geben?).
4. Modellieren Sie den neuen Gesamtprozess auf Basis der definierten Gestaltungselemente.
5. Leiten Sie die Umsetzungsanforderungen aus dem Soll-Prozess ab. Damit sind beispielsweise Anforderungen an Schnittstellenthemen (Nachfolgeplanung), an die technische Lösung (IT-Tool) und an die Kommunikation gemeint.
6. Initialisieren Sie das Change Management. Planen Sie sorgfältig die Umsetzung inkl. Kommunikations- und Trainingsmassnahmen.
Der Weg hin zu einem agilen Performance Management stellt zweifellos eine Herausforderung dar. Für die ganze Organisation und insbesondere für die HR-Verantwortlichen, denen es obliegt, proaktiv die Entwicklung dieses wichtigen Führungsthemas voranzutreiben und die
daraus folgende Transformation zu steuern. Dabei braucht es eine ehrliche Auseinandersetzung
mit der Frage, welchen Mehrwert das bestehende Performance Management der Organisation überhaupt stiftet. Und es braucht mutige Entscheide – vielleicht letztlich denjenigen, damit
aufzuhören, tote Pferde zu reiten, und stattdessen neue Wege zu beschreiten.
Original-Artikel